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| von Greta Bosold

"Die Weiber kommen!"

Koedukation an der Freiherr-vom-Stein Schule Fulda

Früher war es üblich, Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten. An der Freiherr-vom-Stein-Schule Fulda, gegründet 1838, gab es nicht von Beginn an Mädchen, Schülerinnen nehmen hier erst seit 1964, also seit 58 Jahren, am Unterricht teil. Vorher war unser Gymnasium eine reine Jungenschule. Wie die Schüler auf die Aufnahme von Mädchen an ihrer Schule reagierten, zeigt eine Analyse der Schülerzeitungen und Jahresschriften der FvSS aus den 60er Jahren, die im Rahmen des Projektes „Schule damals und heute“ in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien entstand.

Bis in die 1960er und 1970er Jahre war es üblich, Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten. Dann erst setzte sich das Prinzip der Koedukation allgemein durch. Der Begriff „Koedukation“ kommt aus dem Lateinischen und setzt sich zusammen aus den Wörtern „con“ (= zusammen) und „educare“ (= erziehen), er bedeutet Gemeinschaftserziehung und bezeichnet im Allgemeinen die gemeinsame Bildung von Jungen und Mädchen. Auch die Freiherr-vom-Stein-Schule war lange eine reine Jungenschule. Die ersten Mädchen wurden an der FvSS im Jahre 1964 auf einen Antrag der damaligen Schulleitung hin zugelassen. Damals entschied die Stadt Fulda: „Der Freiherr-vom-Stein-Schule wird bis auf weiteres jederzeit widerruflich gestattet, ab Ostern 1964 zur Auffüllung von Lücken in der Schülerzahl Mädchen in eine der Sexten [= 5. Klassen] aufzunehmen. […] Die vorübergehende Aufnahme von Mädchen bedeutet nicht die Einführung der Koedukation an der Freiherr-vom-Stein-Schule. […]“. Ja, ihr habt richtig gelesen, Mädchen dienten damals nur als Lückenfüllerinnen auf unbestimmte Zeit und so wurden sie sogar von der Presse bezeichnet. An Ostern wurden dann tatsächlich 17 Mädchen in einer 5. Klasse aufgenommen, in der Öffentlichkeit stieß diese Entscheidung auf viel Kritik, da aufgrund von Raummangel manche Jungen abgewiesen werden mussten. 1967 bis 1969 wurden zwei gemischte Sextaklassen [5. Klassen] eingerichtet, bis im Schuljahr 1968/69 145 Mädchen die Stein-Schule besuchten. Wie bereits erwähnt, war Koedukation damals nicht besonders gerne gesehen, so gab es einige Probleme und Beschwerden der Mitschüler, Lehrer, etc.:

Der gemeinsame Turnunterricht: In einem Artikel aus der Schülerzeitung von 1966 werden die ersten gemeinsamen Sportstunden der Jungen und Mädchen von der Schülerin Bärbel geschildert. In der ersten Stunde, so Bärbel, seien die Jungen wider Erwarten gar nicht erst in der Sporthalle erschienen. Am nächsten Tag jedoch seien die Mädchen von ihren Mitschülern beschimpft worden, die Jungen könnten wegen der Mädchen nicht mehr richtig turnen und würden vernachlässigt. Die Schülerinnen, so Bärbel, stimmten den Jungen größtenteils sogar zu, sie schreibt: „In der nächsten Stunde ist es ähnlich, nur haben wir uns inzwischen damit abgefunden, daß man uns wie Kaninchen in getrennte Käfige sperrt.“ In der folgenden Stunde sollten die Mädchen draußen turnen, was sie auch taten, als sie allerdings, wie die Jungs, Weitsprung üben wollten, seien die Schüler weggeschickt worden, um den Mädchen das Feld zu räumen. Bärbel schreibt hierzu: „Mir ist dieser Befehl zwar genauso unverständlich wie die gesamte strenge Teilung im Turnen, wo wir doch sonst den ganzen Vormittag gemeinsam die Schulbank drücken.“ Die Jungen seien mit Recht wieder empört gewesen und schimpften, sie müssten immer „wegen den Weibern verschwinden“, das sei eine Gemeinheit. Während der Stunde gab es dann einige Streitigkeiten, als die Jungen sich über die Mädchen und anschließend die Mädchen über die Jungen lustig machten, wenn ihnen Übungen nicht gelangen, laut Bärbel endete diese Stunde leider wieder uneinig. In der nächsten Stunde durften beide Geschlechter aufgrund von Regen gemeinsam in der Halle turnen, auf dem Programm standen Jungs gegen Mädchen-Wettspiele, hier habe es bei der Niederlage der Jungen große Beschwerden und beim Sieg riesiges Geprahle gegeben. Die SuS hätten eine Blockstunde gehabt, weshalb die Jungs in der 2. Sportstunde aus der Halle verbannt und nach Hause geschickt wurden, woraufhin die Mädchen wieder beschimpft worden seien. Laut Bärbel hätten die Mädchen für ihre Mitschüler jedoch gerne die Bahn geräumt. Als Schlusswort schreibt Bärbel: „Ich hoffe nun, daß die Turnstunde sich trotz allem noch zu einer normalen Unterrichtsstunde entwickelt und uns auch Freunde machen wird! Aller Anfang ist schwer, darum habe ich Hoffnung auf ein friedliches Auskommen zwischen Jungen und Mädchen im Turnen auch nicht begraben!“.

Der gemeinsame Schwimmunterricht: In einer Schülerzeitung aus dem Schuljahr 1968/1969 ist sichtbar, wie die Koedukation allmählich an Selbstverständlichkeit gewinnt. Hier wird vom gemeinsamen Schwimmunterricht der Jungen und Mädchen berichtet, eine Trennung findet laut Artikel nur die Kategorien Schwimmer, Anfänger und Nichtschwimmer betreffend statt. Gegen Ende bedankt man sich noch bei zwei Müttern der Quintanerinnen [=6. Klasse], die sich freiwillig einige Zeit zur Betreuung der Mädchen bereitgefunden hatten.

Die Raumnot: Im oben bereits genannten Beschluss des Magistrates der Stadt Fulda zur Aufnahme von Mädchen an der Steinschule steht geschrieben: „Der Freiherr-vom-Stein-Schule wird bis auf weiteres jederzeit widerruflich gestattet, […] Mädchen in einer Sexten aufzunehmen. Der Magistrat setzt voraus, daß dadurch Baumaßnahmen nicht ausgelöst werden.“ Da die Steinschule damals noch deutlich kleiner war als heutzutage, erhielt die Schule eine „Filialklasse“ in der Schollschule, um die Mädchen aufzunehmen. „In einer Stellungnahme des damaligen Schulleiters Dr. Fruhmann aus dem Jahre 1966 heißt es: „Seit längerer Zeit werden auf der Freiherr-vom-Stein-Schule auch Mädchen unterrichtet. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet das Schulverwaltungsgesetz von 1961, wo es heißt: „Eine gemeinsame Erziehung der Geschlechter ist anzustreben (§ 1,2). Außerdem gibt es in Fulda keine andere öffentliche höhere Mädchenschule, die mit der Sexta beginnt und einen mathematisch-naturwissenschaftlich-neusprachlichen Zug trägt. Man konnte den Eltern die Aufnahme der Mädchen kaum verweigern.“ Es ist also zu erkennen, dass viele nicht glücklich mit der Entscheidung für die Aufnahme von Mädchen waren, da somit viel mehr Klassen existierten und aufgrund des Raummangels sogar Jungen auf andere Schulen verwiesen wurden. Andere jedoch freuten sich über die Integration der Schülerinnen, da diese für die Mädchen viele neue Möglichkeiten eröffnete.

Kommen wir zu meinem Fazit zur Koedukation: Es ist offensichtlich, dass sich früher durch die Aufnahme von Mädchen an einer Jungenschule viele Jungs und deren Eltern benachteiligt fühlten, da durch die neuen Mitschülerinnen natürlich Platz beansprucht wurde und die Situation völlig neu war. Ich muss jedoch sagen, ich bin sehr froh, dass Jungen und Mädchen mittlerweile zusammen unterrichtet werden. Das Platzproblem besteht aktuell, jedenfalls in der Art und Weise, wie es das damals tat, nicht mehr, da inzwischen deutlich mehr und deutlich größere Schulen existieren, weshalb ich nicht hundertprozentig beurteilen kann, wie ich zu dem Thema stünde, würde der Platzmangel nach wie vor in dem Ausmaß bestehen. Grundsätzlich kann ich allerdings sagen, dass der gemeinsame Unterricht meist eine Bereicherung darstellt. Außerdem finde ich es nur richtig, dass alle Geschlechter, was Bildung angeht, heute größtenteils die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, zumindest in Deutschland, dafür bin ich sehr dankbar und hoffe, dass wir auf der Welt in Zukunft weitere Fortschritte in Sachen Chancengleichheit machen werden.

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