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| von Prof. Dr. Dr. Gerald Kolb und Stefan Heurich mit einleitenden Worten von Greta Bosold

„Ach, das lassen Sie mal meine Sorge sein“

Goldenes Abitur und neunzigster Geburtstag der Klassenlehrerin

Uns erreichte eine Nachricht eines ehemaligen Steinschülers des Abitur-Jahrgangs 1972, der von einem Treffen im letzten Jahr zum 50. Jubiläum seines Abiturs berichtet. Besonders interessant ist die Zusammensetzung der Klasse des ehemaligen Steinschülers, denn sie bestand aus 22 Jungs, geleitet von einer jungen Lehrerin. Verglichen mit Schule in der heutigen Zeit, in der Koedukation die Regel ist, lässt sich sagen, dass wir einen großen Wandel in dieser Hinsicht erlebt haben. Den ganzen Bericht zum „Goldenen Abitur“ der OIsw 1972, den uns Prof. Dr. Dr. Gerald Kolb und Stefan Heurich stellvertretend für die ganze Klassengemeinschaft zugesendet haben, findet ihr hier.

Die Freiherr-vom Stein Schule, besucht von verschiedensten Kindern und Jugendlichen - dies war nicht immer der der Fall. Wie ihr bereits in einem anderen Artikel der Schülerzeitung („Die Weiber kommen“) vor einiger Zeit erfahren konntet, war unsere Schule, gegründet vor 185 Jahren, bis vor ca. 70 Jahren eine reine Jungenschule. Als sich dies in den 60er Jahren erstmals änderte und auch Mädchen zugelassen wurden, war die neue Situation für die Jungs zunächst ungewohnt, zum Teil gar „lästig“, wie einige Artikel der Schüler in der damaligen Schülerzeitung, der „Penne“, zeigen, in denen sie ihren Unmut über den neuen Umstand äußerten. All dies ist für uns heute im Jahre 2023 kaum noch vorstellbar. Inzwischen sind Monoedukative, also reine Jungs- oder Mädchenschulen, die Seltenheit und ich bin auch der Meinung, dass dies gut so ist. Zunächst sehe ich es nämlich als äußerst problematisch, Kindern aufgrund ihres Geschlechtes die Bildung an ihrer Wunschschule zu verwehren. Des Weiteren werden durch Monoedukation Schüler*innen, die sich beispielsweise keinem Geschlecht zugehörig fühlen, ein Stück weit ausgeschlossen, um nur zwei Gründe gegen reine Jungs-/ Mädchenschulen zu nennen.

Und dennoch ist es immer interessant, wenn nicht sogar essentiell, sich mit der Geschichte zu befassen, sich z.B. in Jugendliche aus früheren Zeiten hineinzuversetzen, über Entscheidungen und Regelungen aus der Vergangenheit zu reflektieren, sich zu fragen, ob sie eventuell ein Fehler waren und daraus zu lernen, um für alle eine bestmögliche Zukunft gewährleisten zu können.

Den ganzen Bericht zum „Goldenen Abitur“ der OIsw 1972, den uns Prof. Dr. Dr. Gerald Kolb und Stefan Heurich stellvertretend für die ganze Klassengemeinschaft zugesendet haben, findet ihr hier:

Es war für alle Klassenkameraden, die sich am 22.und 23. Mai in Heuchelheim bei Gießen im Hause unserer Klassenlehrerin, Frau OStR’in Maria Geissler-Gassmann, zum Sonntagsnachmittagskaffee und sodann - auf ihre Einladung hin - zum Abendessen im Hotel Landhaus Klostergarten, Kloster Arnsberg bei Lich trafen, ein besonderes Klassentreffen - unter den vielen vorangegangenen. Ziemlich auf den Tag genau 50 Jahre waren seit dem Abitur 1972 vergangen. Kurz zuvor „ad Idus Martiae“ (Iden des März*) hatte unsere Klassenlehrerin, Frau OStR’in Maria Geissler-Gassmann, ihren 90. Geburtstag begangen - doppelter Grund also zu feiern!

Als Überraschungsgeschenk für unsere Klassenlehrerin hatten wir uns im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit von Frau Gassmann an der deutschen Schule in Mailand und ihrer häufigen Opernbesuche in der berühmten Mailänder „Scala“ etwas Besonderes ausgedacht: Eine ihr gewidmete Gesangsaufführung einer Opernsopranistin vom Gießener Schauspiel- und Opernhaus am Klavier als „privatissime“ zum Kaffee zu Hause. Begleitet vom Direktor der Gießener Oper am Klavier umfasste das Repertoire Arien von Henry Purcell und vor allem viel Belcanto der italienischen Opernliteratur, Schwerpunkt auf Rossini. Es wurde sichtlich „goutiert“.

Am Abend ging´s zum Essen, zu dem Frau Geissler-Gassmann eingeladen hatte, von Heuchelheim ins etwa 20 Kilometer entfernte Hotel „Landhaus Klosterwald“ am Kloster Arnsberg bei Lich. Dort wurde auch übernachtet. Auch die Klassenlehrerin blieb über Nacht, um am gemeinsamen Frühstück am Montagmorgen teilnehmen zu können, zu dem fast alle – mit einer berufsbedingten Ausnahme - blieben. Selbstverständlich wurde über die gemeinsame Schulzeit, vorwiegend aber über aktuelle Themen der Zeitgeschichte sowie viel Persönliches gesprochen. Die „alten Herren“, inzwischen achtundsechzig bis siebzig Jahre alt, waren entweder kürzlich aus dem Berufsleben ausgeschieden oder bereiteten sich auf den Ruhestand vor; einige aber sind - zumindest zeitweilig - noch „im Geschirr“.

Zum Treffen waren 8 „Silberfüchse“ der alten OIsw gekommen, die sich anlässlich der beim Treffen spontan initiierten Gründung einer WhatsApp-Gruppe fürderhin so nennen wollen. Zur Zeit des Abiturs waren wir 22 Klassenkameraden; mittlerweile sind bereits 6 verstorben, ihrer wurde gedacht. Diese Klassengemeinschaft hat über ein Leben gehalten, nicht zuletzt wegen einer herausragenden Lehrerin. Die damals junge StR’in Gassmann übernahm - soeben aus Italien zurückgekehrt - die im Kollegium als „schwierig“ geltende und rein männliche Obersekunda des damals neu gegründeten wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Zweiges als Klassenlehrerin sowie als Lehrerin für die Fächer Englisch und Französisch. Als sie im Vorfeld vom damaligen Schulleiter, Herrn Oberstudiendirektor Dr. Theo Fuhrmann, vorsichtig gefragt wurde, ob sie sich denn dieser Aufgabe gewachsen fühlte, lautete ihre „nonchalante“ Antwort: „Ach, das lassen Sie 'mal meine Sorge sein“. Er hätte es wissen müssen, eine an „Idus Martiae“ Geborene schrecken keine 22 „Halbwüchsige“.

 

*Die „Iden“ des März, somit der 15 März (44 v.Chr) = Tag der Ermordung Gaius Julius Caesars und gemeinhin ein früher üblicher Metapher für „drohendes Unheil“.

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