Abi- und dann? Eine Interrail-Reise durch Europa
Ganz Europa mit dem Zug entdecken
Das Abi ist geschafft und nun steht der Sommer an, der alle Möglichkeiten und Freiheiten bietet, bevor die Arbeitsstelle angetreten wird oder das Studium beginnt. Eine Interrail-Reise bietet die Chance, relativ kostengünstig durch ganz Europa zu reisen. In diesem Artikel berichtet eine ehemalige Abiturientin über ihre Reise im letzten Sommer.
- Juli 2023, 6 Uhr. Ich erinnere mich noch zu gut an das Gefühl, als ich an diesem Morgen am Bahnhof stand, um auf meinen Zug zu warten. Natürlich freute ich mich auf das, was kommen würde: Zwei Monate durch Europa reisen. Nur mit einem Rucksack. Alleine. Und vielleicht war der letzte Aspekt genau jener, der auch noch ein anderes Gefühl in mir hervorrief, nämlich ein klein wenig Angst. Ich verabschiedete mich von meiner Familie und setzte mich in den Zug und plötzlich stieg ein winziger Funken Panik in mir auf. Wie sollte ich das alles allein schaffen? Was, wenn irgendetwas passieren würde? Ich erinnere mich an die Reaktionen meiner Freunde und Bekannten, als ich ihnen im Vorfeld meiner Reise von meinen Plänen berichtete. „Was? Du reist allein? Hast du dir das auch gut überlegt?“ Doch je weiter ich mich von Fulda entfernte, desto mehr rückte dieses Gefühl in den Hintergrund und was blieb, war die pure Vorfreude. Ich hatte mir bereits vorher einen groben Plan gemacht, welche Städte ich in Europa ansteuern wollte. Meine Reise sollte mich zuerst nach Rotterdam führen, wobei ich Amsterdam und Den Haag gleich mitnehmen würde. Von den Niederlanden arbeitete ich mich in Richtung Süden nach Paris und Lyon vor, bevor es für mich in die Schweiz nach Genf ging. In Italien besichtigte ich die Städte Mailand, Genua, Pisa, Florenz, Rom und Venedig (und das, obwohl ich ursprünglich Italien komplett auslassen wollte, aber Pläne ändern sich eben manchmal). Weiter ging es für mich nach Österreich, wo ich mir die Städte Innsbruck, Salzburg und Wien anschaute. Von Wien aus machte ich einen Tagesausflug nach Bratislava und reiste dann zuletzt nach Budapest und Prag. Bevor ich wieder nach Fulda zurückkehrte, machte ich noch einen kleinen Zwischenstopp in Berlin. 18 Städte in zwei Monaten. Ich hatte im Voraus mit Absicht darauf verzichtet, alle Zugverbindungen und Hostels bereits zu buchen, denn was mich an meiner Interrail-Reise am meisten reizte, war die Spontaneität. Gefiel es mir an einem Ort, so konnte ich auch einfach noch ein paar Tage länger bleiben, bevor ich meine Reise fortsetzte. Natürlich barg diese Art zu Reisen auch ein gewisses Risiko. Ich erinnere mich vor allem an den Tag, als ich von Rotterdam nach Paris reisen wollte. In Frankreich oder Italien reicht es nicht, einfach ein Interrail-Ticket zu besitzen, denn gleichzeitig benötigt man eine Sitzplatzreservierung, die für einen kleinen Betrag im Voraus gebucht werden muss. Als ich dies tun wollte, musste ich feststellen, dass kein einziger Zug nach Paris mehr frei war. In solchen Situationen heißt es dann eben Improvisieren und so fuhr ich mit dem Flixbus nach Paris. Reist man in einem Land, in dem eine Sitzplatzreservierung freiwillig ist, ist das Interrail-Ticket eine super Möglichkeit, um so viel wie möglich zu sehen. Ich konnte einfach in jeden Zug einsteigen, egal um welche Uhrzeit er fuhr oder welche Stadt er ansteuerte. Um genau diese Zugreisen gut zu koordinieren, gibt es die sogenannte „RailPlanner-App“. Darin kann man seinen Standort, sein Reiseziel und das gewünschte Reisedatum eingeben und die App sucht dann alle Zugverbindungen raus, die in Frage kommen. Außerdem gibt sie an, ob eine Sitzplatzreservierung nötig ist oder eben nicht. Falls ja, wird man direkt auf eine Website weitergeleitet, auf der man seinen Sitzplatz buchen kann. Wenn man nun die passende Zugverbindung gefunden hat, braucht man nur noch die Übernachtungsmöglichkeit. Ich übernachtete in den zwei Monaten ausschließlich in Hostels, obwohl es natürlich auch andere Möglichkeiten gibt, zum Beispiel Airbnb. Die Hostels ließen sich ganz einfach online buchen und die meisten waren wirklich richtig schön. Vor allem die Hostels in Italien waren ein echter Traum, denn die meisten hatten eine Dachterrasse mit Sofas, Hängematten und Lichterketten sowie super moderne Küchen mit kostenlosen Lebensmitteln. Ich übernachtete meistens in gemischten Zimmern, allerdings gäbe es auch reine Mädchenzimmer, die allerdings etwas teurer sind. Die Hostels sind eigentlich der beste Ort, um neue Leute kennenzulernen. Man kommt mit seinen Zimmernachbarn ins Gespräch, die aus aller Welt kommen. Ich traf Jugendliche aus Australien, den USA, Dänemark und vielen anderen Ländern und konnte dadurch auch mein Englisch verbessern. Tagsüber verbrachte ich die Zeit allerdings meistens allein. Ich hatte eigentlich nie so wirklich einen Plan, sondern wachte morgens auf und tat das, was mir als erstes in dem Sinn kam. Ich schaute mir berühmte Sehenswürdigkeiten an, besuchte einige Museen, nahm zwei Mal an einer Bootstour teil oder legte mich auch einfach mal auf eine Wiese, um ein Buch zu lesen. Da viele Attraktionen allerdings einiges an Geld kosteten, versuchte ich, an anderen Stellen zu sparen, beispielsweise bewältigte ich die meisten Strecken zu Fuß, anstatt die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Auf diese Weise konnte es auch mal passieren, dass man aus Versehen an einem Tag in Paris 25 km zu Fuß zurücklegte (30.387 Schritte). Allerdings hat diese Art, sich fortzubewegen auch ihre Vorteile, denn man sieht definitiv mehr von der Stadt, als wenn man mit der U-Bahn durch dunkle Tunnel brettert. Auch beim Essen musste ab und zu gespart werden, denn jeden Tag in ein Restaurant zu gehen, ist definitiv nicht drin. Mit meinen nicht vorhandenen Kochkünsten und der oft etwas schwierigen Einkaufssituation kamen Gerichte zustande wie ein Salat ohne Dressing (definitiv nicht zu empfehlen) oder ein fertiger Nudelsalat mit Schokopudding und Würstchen. Mein Retter in der Not war eine gewisse Fastfood-Kette, die allseits bekannt sein dürfte.
Irgendwann stellte ich jedoch fest, dass Nudeln ein wirklich gutes Gericht auf einer Interrial-Reise sind, und so gab es während der nächsten Wochen sehr oft Nudeln in den verschiedensten Variationen. Was ich auf dieser Reise also auf jeden Fall lernte, war das Improvisieren und die Fähigkeit, Dinge einfach mal entspannt zu sehen. Natürlich können auf einer zweimonatigen Reise nämlich auch Probleme auftreten, doch für jedes Problem gibt es bekanntlich eine Lösung. Dies erlebte ich auf meiner Reise genau zwei Mal, nämlich in Rotterdam und Mailand. In der niederländischen Stadt wollte ich morgens meinen Spind öffnen, doch der Code des Vorhängeschlosses funktionierte nicht mehr. Ich versuchte über eine Stunde, den vierstelligen Code herauszufinden, was ich bei 10.000 Kombinationsmöglichkeiten irgendwann aufgab. Also musste ich im Schlafanzug zur Rezeption gehen, wo mir ein Brecheisen ausgehändigt wurde.
Aufgrund meiner mangelnden Armkraft, dauerte auch diese Aktion ein wenig, doch irgendwann war das Problem gelöst. In Mailand passierte mir etwas, das man als Alptraum auf einer solchen Reise bezeichnen könnte, nämlich der Diebstahl meines Handys. In einer Zeit, in der Zimmertüren in Hostels nur noch über Bluetooth geöffnet werden und man ohne Google Maps orientierungsmäßig aufgeschmissen ist, steht man in diesem Fall vor einem echten Problem. Auch das Interrail-Ticket befand sich auf meinem Handy. Glücklicherweise hatte ich mein IPad dabei und konnte so immerhin mit meinen Eltern über Email kommunizieren und mein Interrail-Ticket auf dieses Gerät übertragen. So konnte ich die Woche, bis ich mein neues Handy in den Händen hielt, überbrücken. Auf meiner Reise habe ich gelernt, Probleme selbst zu lösen und nicht direkt zu verzweifeln, wenn irgendetwas nicht wie geplant funktioniert.
Insgesamt kann ich sagen, dass diese zwei Monate eine tolle Erfahrung waren, die ich niemals missen möchte. Eine Reise mit dem Interrail-Ticket ermöglicht es einem, so viel von Europa zu sehen und so tolle Dinge zu erleben. Man lernt neue Leute kennen, darf wunderschöne Orte besuchen und lernt vor allem auch sich selbst besser kennen. Es ist eine super Möglichkeit, um nach dem Abitur einfach mal rauszukommen und Europa kennenzulernen.