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| von Eduardo Alejandro Garcia

Weihnachten: Der ultimative kapitalistische Feiertag

"Christmas shopping" by Peter Hilton is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Weihnachten marschiert gerade um die Ecke, genauso subtil wie ein Tritt ins Gesicht. Trotz COVID‑19 herrscht in vielen Häusern die typische weihnachtliche Atmosphäre, voller Gerüche von Zimt und Glühwein und den Lichtern der dekorierten Tannenbäume. Schon Geschenke gekauft?

Obwohl es für manche überraschend ist, es gab tatsächlich eine Zeit in der man Weihnachten als puren religiösen Tag feierte. Der Tag ist ein Produkt aus der Mischung von christlichen und heidnischen Glauben und Bräuchen. Eine weitbekannte Theorie zur Festlegung des Datums ist, dass man die heidnische Feier der Sonnenwende, die am 25. Dezember stattgefunden hatte, für den Tag Jesu Geburtstag aussuchte (obwohl in Deutschland und Lateinamerika der 24. Dezember, Heiligabend, mittlerweile eine größere Bedeutung hat). Über die Jahre verbreitete sich Weihnachten und spielte eine immer größere Rolle in der Gesellschaft - sogar mehr als Ostern. Diese Besessenheit von etwas, das an sich nur ein Geburtstag ist, kam nicht nur aufgrund des starken Glaubens der Bevölkerung, sondern wegen der Rolle von Weihnachten als Familientag zustande. Traditionen, wie der Tannenbaum oder der Adventskalender, entwickelten sich in den letzten 500 Jahren hauptsächlich in Europa. Das waren die ersten weltlichen Symbole, die den religiösen Feiertag infiltrierten. Das Geben von Geschenken, was schon im 15.  Jahrhundert praktiziert wurde, sich aber erst im 19. Jahrhundert vollständig verbreitete, kam mit der Vorstellung von Weihnachten als einen Tag für Familie und Freunde. Mit Hilfe des bekannten Gedichts  „A Visit from St. Nicholas“ von Clement Clarke Moore und der wachsenden Spielzeugindustrie der USA in den 1820ern vergrößerte sich die Rolle des Schenkens und des Weihnachtsmannes, der davor nur ein halbwegs bekannter Heiliger war.

Dann kam das 20. Jahrhundert. Die aggressiven Marketing-Taktiken in dieser Zeit waren sehr präzise. Die mittlerweile selbstverständliche familiären Werte des Feiertags sollten als eine Aufforderung für Konsum dienen. Bewaffnet mit der „Wichtigkeit der Liebe und Familie“, konnten Geschäfte Weihnachten in etwas rein Wirtschaftliches verwandeln. Welche Person würde denn seinen Eltern nichts Schönes schenken, sein Haus nicht mit kleinen süßen Wichteln und Rentieren dekorieren? Die Weihnachtsatmosphäre wurde von den etlichen Fernseh- und Radiowerbungen stark geprägt: Das perfekte Beispiel dafür wären die Coca‑Cola Santa Claus Werbungen im Jahr 1931, die das heutige weitbekannte Aussehen des Weihnachtsmannes hervorbrachten.

Einige Kriege, Mauerfälle und Terroristenanschläge später und nur zwei Sachen haben sich verändert: der kapitalistischer Aspekt der Feier wird nun mit Hilfe der digitalen Medien stärker und hat sich auch mittlerweile international verbreitet (wie das Coronavirus). Auch in Deutschland besteht Weihnachten im 21. Jahrhundert mehr aus eingängigen Pop‑Songs, Kinderschokolade, Weihnachtsmännern und  Christbaumkugeln mit süßen Zeichentrickfiguren, als aus Weihnachtskrippen und Kirchenlieder. Aber wer kann es uns übel nehmen? Wir profitieren nämlich extrem davon. Allein im Jahr 2019 lag der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland im Weihnachtsgeschäft ungefähr bei 101,9  Milliarden Euro (genug Geld für ungefähr 12,737 Billiarden Snickers in unserer Schulmensa).

Nach der kleinen Einheit Geschichts- und PoWi‑Unterricht steht natürlich immer noch die Frage: und was will der Zyniker (gemeint ist der Autor) uns damit sagen? Meine ganze kleine Antwort wäre: Weihnachten ist noch ein religiöse Feiertag, aber nicht für das Christentum. Eine neue moderne Religion, an die so viele glauben, wird in den Ländern der so genannten „Ersten Welt“ bevorzugt: Kapitalismus. Weihnachten ist ein Tag um der Welt unseren kollektiven und unseren Nachbarn unseren individuellen wirtschaftlichen Erfolg zu demonstrieren. Die Götter dieser Religion sind die Medien, die Promis und die CEOs, die uns anfeuern, indem sie uns mehr zum Konsumieren geben, mehr Auswahl an Möglichkeiten, unseren Reichtum anzubeten.

Kritisiert werden können diejenigen, die in diesem gesellschaftlichen Modell mitmachen, prinzipiell nicht, denn diese kapitalistischen Werte sind zu stark in unserer Welt integriert. Die Alternative wäre schließlich ein Leben als Eremit. Widerlich sind aber die, die so tun, als wäre Weihnachten noch ein Tag des Christentums und der Familie, nicht des Geldes. Das Christentum schrumpft (540.000 Menschen haben die Kirche in 2019 verlassen) und hat eine sehr kleine Medienpräsenz (wann habt ihr das letzte Mal eine Werbung mit Jesus gesehen?), familiäre Werte mischen sich aufgrund der Bedeutung des Konsums mit kapitalistischen Werten. Man kann wenigsten zugeben, dass der kapitalistische Einfluss auf Weihnachten enorm gewachsen ist. Schlecht ist es ja nicht unbedingt. Konsum ist ein Zeichen dafür, dass es uns gut geht, und es gibt offensichtliche Gründe, warum der Verlust der strengen christlichen Einstellung  als nicht so groß empfunden wird. Wichtig ist aber die Religion des Konsums wahrzunehmen. Es wäre extrem peinlich, fanatisches, ignorantes Glauben an Gott mit fanatischem, ignorantem Glauben an Geld zu tauschen.

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