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| von Emily Arndt

Gendern – „Sprachverhunzung“ oder Ausdruck der Gleichstellung

Ein Kommentar

Liebe Leserinnen und Leser. Oder liebe Leser:innen? Vielleicht aber auch liebe Leser_innen oder gleich liebe Lesende? Bereits zu diesem Zeitpunkt weiß der Großteil von euch mit Sicherheit, um welches Thema es geht. Richtig. Es geht um das Gendern. Was vor wenigen Jahren noch als irrelevant eingestuft wurde, findet sich nun in unserem täglichen Leben wieder. Egal wohin wir schauen, das Gendern ist zu einem etablierten Debattenthema geworden. Natürlich gibt es wie bei jedem kontroversen Thema zwei verschiedene Seiten. Diejenigen, die gendergerechte Sprache befürworten und jene, bei denen diese „Sprachverhunzung“ auf Ablehnung stößt.

Aber was bedeutet „Gendern“ überhaupt? Der Begriff „Gender“ bedeutet auf Deutsch „Geschlecht“, wobei allerdings nicht das biologische, sondern das soziale Geschlecht gemeint ist. Durch die sogenannte gendergerechte Sprache soll die Gleichbehandlung der Geschlechter zum Ausdruck gebracht werden, denn wie viele von euch wissen, bestimmt in den meisten Fällen die maskuline Form die deutsche Sprache. Wie selbstverständlich sprechen wir von „Bauarbeitern“ oder „Lehrern“, aber was ist mit den weiblichen Lehrkräften und Bauarbeiterinnen, die es ebenfalls gibt? Die Debatten über gendergerechte Sprache werden seit den 1970er Jahren geführt und auch hier stehen sich zwei Seiten in unserer Gesellschaft gegenüber: Handelt es sich bei dem Gendern um einen Ausdruck der Gleichstellung oder lediglich um nichtssagende Sprachverhunzung?

Zum einen ergab eine Meinungsumfrage, dass zwei Drittel der wahlberechtigten Deutschen die gendergerechte Sprache ablehnen, was unter anderem an der Komplexität des Genderns liegt. Woher weiß ich, welche der drei möglichen Formen des Genderns ich verwenden muss? Benenne ich beide Geschlechter, beispielsweise indem ich von „Lehrerinnen und Lehrern“ spreche, oder benutze ich die Neutralisierung und bezeichne diese Berufsgruppe als „Lehrende“? Oder verwende ich ein Genderzeichen und schreibe „Lehrer*innen“, „Lehrer_innen“ oder „Lehrer:innen“? Wer soll da noch durchblicken? Die Menschen wollen an ihren Sprachgewohnheiten festhalten und nichts ändern, was jahrelang als unproblematisch angesehen wurde.

Außerdem sei die Sprache für das Projekt der Gleichberechtigung nicht relevant, denn gendergerechte Sprache allein werde wohl kaum eine bessere Bezahlung für Frauen bewirken.

Viele Menschen sind der Meinung, man solle zuerst über sozialpolitische Veränderungen im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit nachdenken, dann könne man auch über die Sprache reden. Viele glauben, die Debatte um das Gendern spalte die Gesellschaft und es gehe schon lange nicht mehr nur um den Inhalt, sondern lediglich um bürokratische Vorgaben. Deshalb lehnen sie amtliche oder gesetzliche Regelungen bezüglich einer gendergerechten Sprache ab. Jeder sollte selbst entscheiden, ob er gendern möchte oder nicht.

Natürlich gibt es aber auch jene, die das Gendern befürworten. Wie oft bekommen wir zu hören, im grammatikalischen gelte die maskuline Form für alle. Dies mag faktisch richtig sein, aber die Realität sieht anders aus. Studien belegen, dass die maskuline Form fast immer Assoziationen mit dem männlichen Geschlecht hervorruft. Spricht man beispielsweise von „Bauarbeitern“ oder „Politikern“, wird meistens sofort an Männer gedacht. Die Welt wird also nicht so divers dargestellt, wie sie in der Realität ist. Außerdem fördert das Gendern lediglich die bereits im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung der Geschlechter. So heißt es in Art. 3,2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Sollte dies nicht also auch für den Sprachgebrauch gelten? Die Menschen denken mit der Nutzung gendergerechter Sprache offener über Geschlechterrollen nach und solidarisieren sich mit anderen Geschlechteridentitäten. Das Gendern gilt also auch als Ausdruck des gesellschaftlichen Fortschritts, denn die Rolle der Geschlechter hat sich geändert. Die Zeiten, in denen Frauen für den Haushalt und die Kinder zuständig waren und der Mann beruflich Karriere machte, sind vorbei. Immer mehr Frauen sitzen in Aufsichtsräten großer Unternehmen oder in anderen Führungspositionen und genauso gibt es in der heutigen Zeit auch Frauen, die frühere Männerberufe ausüben, beispielsweise als Handwerkerin oder Spitzenpolitikerin. Deshalb ist es wichtig, sie im sprachlichen Gebrauch nicht auszuschließen.

Die Debatte über das Gendern ist also komplexer, als man zuerst vermutet. Ich persönlich finde es wichtig, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter auch in der Sprache eine wichtigere Rolle spielt. Es sind schon lange nicht mehr nur die Männer, die bedeutende Rollen in der Gesellschaft einnehmen. Die Rolle der Frau hat sich geändert und deshalb ist es wichtig, auch die Sprache an den gesellschaftlichen Fortschritt anzupassen. Natürlich sorgt die gendergerechte Sprache allein nicht dafür, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau beispielsweise auch im Hinblick auf die Bezahlung vollständig angegangen wird, aber Sprache lenkt die Sicht auf die Welt und kann somit Veränderungen vorantreiben. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine gesetzliche Vorschrift des Genderns keine Lösung ist. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, ob der gendern möchte oder nicht, denn bei gesetzlichen Regelungen geht es nicht mehr um den Inhalt, sondern lediglich um bürokratische Vorgaben. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, das weibliche Geschlecht in der Sprache mit einzubeziehen, aber hier liegt noch ein langer Weg vor uns.

 

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