• Freiherr-vom-Stein-Schule _
  • Schülerzeitung _
  • Beitrag

| von Emily Arndt

„Die Verbraucher schauen auf Nachhaltigkeit, auf den Preis und auf die Leistung“

Ein Interview mit tegut-Chef Thomas Gutberlet

Im Interview erklärt der tegut-Chef, welche Bedeutung Nachhaltigkeit für sein Unternehmen hat und dass Nachhaltigkeit mehr bedeutet, als nur auf die Verpackung von Waren zu schauen.

Foto: Jens Brehl (CC BY-NC-SA 4.0)

Tegut ist ja bekannt dafür, nachhaltig zu verkaufen und steht für „Bio“, „Regionalität“ und „Nachhaltigkeit“. Seit wann verfolgen Sie dieses Prinzip?

Das erste Mal, dass dieses Prinzip schriftlich Niederschlag gefunden hat, das war in den 70er Jahren, als mein Vater das Unternehmen übernommen hat und damals ein Leitbild für sich und das Unternehmen entwickelt hat. Schon da war einer der Punkte ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen. Damals war der Begriff „Nachhaltigkeit“ noch nicht so geläufig und „Bio“ war auch noch nicht so bedeutsam. Aber dieses Thema hat meinem Vater von Anfang an beschäftigt. Im Grunde ist das Unternehmen ja auch nach dem Krieg aus einer Notgründung heraus entstanden. Allein schon aus dem Prinzip der Sparsamkeit war es ihm immer wichtig, gut mit den Ressourcen umzugehen. Wenn man wenig hatte, musste man auch ordentlich damit umgehen. In den 80er Jahren haben wir bei tegut dann begonnen, auch die ersten Bioprodukte zu verkaufen und so hat sich das dann Stück für Stück im Unternehmen weiterentwickelt.

 

Mit welchen Strategien versuchen Sie denn, nachhaltig zu verkaufen? Welche Möglichkeiten gibt es dabei?

Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil die Strategien natürlich sehr vielfältig sind. Eine Strategie ist natürlich, dass ich die nachhaltigen Produkte im Sortiment habe. Unsere klassische Aufgabe ist es also, die Produkte zum Kunden durchzulassen, die nachhaltig sind, also eine Verfügbarkeit zu schaffen. Das ist der eine Teil. Der zweite Teil ist, dass ich das in einer attraktiven Form machen muss. Wenn ich also möchte, dass die Leute etwas kaufen, dann sollte das in einer schönen Umgebung sein, das sollte mit freundlichem Personal verbunden sein, das sollte frisch, qualitativ und ordentlich sein. Und dann muss man auch noch auf der Preisebene einen Weg finden, der es in einer Mittlerfunktion zwischen den Konsumenten und den Herstellern möglich macht, dass die Lieferanten und die Landwirte die Produkte in der Form herstellen, wie der Kunde sie haben möchte, und dass diese dann für den Kunden auch erschwinglich sind. Diese Waage muss ausgeglichen sein und unsere Aufgabe ist, dass wir eine Preisstrategie haben, die für beide Seiten fair und nachhaltig ist.

 

Nun ist es ja so, dass vor allem der Verzicht auf Plastikverpackungen ein wichtiger Aspekt im Bereich „Nachhaltigkeit“ ist. Weist das plastikfreie Verkaufen auch Schwierigkeiten auf, gibt es da auch Grenzen?

Um das vielleicht erstmal einzuordnen: Es gibt sehr viele Aspekte in dem Bereich, wie man Produkte und den Verkaufsprozess gestalten muss, damit der Verkauf nachhaltiger ist. Da ist Plastik einer von vielen. Wenn ich nur auf die Verpackung des Endproduktes schaue, was auch ein wichtiger Punkt ist, aber den gesamten Wertschöpfungsprozess nicht beachte, dann muss man aufpassen, dass man nicht zu kurz greift. Das fängt bei der Bodenbearbeitung an, dann kommt die Frage, wie die Landwirtschaft betrieben wird, es ist eine Frage des Transportes, es ist eine Frage der Verpackung und es ist nachher auch eine Frage der Zubereitung. Man bekommt es selten hin, alle Aspekte mit einzubeziehen. Weniger Produkte mit Plastik zu verkaufen, ist ein Aspekt, der vor allem den Kunden wichtig ist, und insofern ist das ein Thema, an dem wir dran sind. Aber jetzt zur konkreten Frage, wo die Schwierigkeiten liegen. Zum einen muss ich aufpassen, dass ich mit dem Versuch, am Ende auf Plastik zu verzichten, die Bemühungen vom Anfang nicht kaputt mache. Es gibt Produkte, die ich ohne bestimmte Verpackungen in keiner vernünftigen Form zum Konsumenten bringen kann. Im Frischebereich, wo viele Produkte eine sogenannte Dampfsperre haben, ist es sehr schwierig, auf Plastik zu verzichten. Natürlich gibt es andere Bereiche, in denen beispielsweise Papierverpackungen sehr gut eingesetzt werden können. Man muss also zum einen auf die Produktqualität achten. Ein weiterer schwieriger Bereich sind die Koppelverpackungen, also eine Mischung aus Papier und Plastik. An und für sich ist das eine gute Idee, aber wenn der Kunde das Plastik bei der Entsorgung nicht von dem Papier trennt, macht das ganze am Ende mehr Arbeit und ist schlechter für die Wiederaufbereitung, als wenn es eine reine Plastikverpackung gewesen wäre. Die Reduzierung an sich funktioniert also nur dann, wenn auch der Kunde nachher bereit ist, einen höheren Aufwand - beispielsweise beim Trennen des Mülls - hinzunehmen.

 

Wie nehmen Sie das Verhalten der Verbraucher wahr? Haben Sie das Gefühl, die Verbraucher legen Wert auf Nachhaltigkeit?

Ich würde sagen, die Verbraucher schauen auf mehrere Aspekte und wägen dann für sich ab. Ich denke, sie schauen auf Nachhaltigkeit, auf den Preis und auf die Leistung. Alle drei Aspekte müssen für sie im Einklang sein. Jeder hat da seine Präferenzen, manche achten vielleicht mehr auf die Qualität und nehmen dafür einen teureren Preis in Kauf, anderen ist die Qualität nicht so wichtig, aber dafür der billigere Preis. Bei jedem einzigen Artikel, den wir heute haben, sei es eine Jeans, ein Mobiltelefon oder eben auch Lebensmittel, entscheidet der Kunde wieder neu. Als Händler ist es unsere Aufgabe, dieses Angebot attraktiv zu gestalten. Es muss also sowohl preislich als auch qualitativ attraktiv sein. Beispielsweise bringt es nichts, eine Wurst plastikfrei zu verpacken und dann regelmäßig eine schlechte Qualität zu haben, weil sie mit Sauerstoff in Kontakt kommt. Da muss man immer weiter an Konzepten arbeiten und ich denke, bei Verpackungen sind wir da noch lange nicht am Ende.

 

Sie verkaufen ja auch viele regionale Produkte in ihren Filialen. Haben Sie vor, dieses Angebot in Zukunft noch weiter auszubauen?

Natürlich versuchen wir, so viel wie möglich regional zu verkaufen. Allerdings gibt es in der Region, in der wir wohnen, nicht mehr so viele Produktionsbetriebe. Sowohl von der Kapazität der Produktionsbetriebe her als auch von den landwirtschaftlichen Möglichkeiten, die wir hier in der Rhön haben, wäre das keine attraktive Gesamternährung für uns alle. Insofern müssen wir immer schauen, was möglich ist. Deshalb müssen wir viele Aspekte zusammenbringen. Wir müssen schauen, dass das Produkt regional ist, dass es von der Verpackung her optimiert ist und dass es idealerweise auch ökologisch ist, denn was haben wir davon, wenn wir eine schlechte regionale Landwirtschaft mit einer hohen Nitriteinspülung ins Grundwasser haben? Dann haben wir nichts gewonnen. Dann ist das Produkt zwar regional, aber dafür haben wir der Umwelt geschadet. Deshalb müssen wir alle diese Aspekte irgendwie zusammenbringen.

 

Wie sehen Ihre Ziele für die Zukunft aus? Verfolgen sie Ideen, das Konzept des nachhaltigen Verkaufens noch weiter auszubauen?

Ja, natürlich. Für mich ist das eine noch lange nicht abgeschlossene Reise. Wir sind jetzt bei 30% Bio-Anteil, haben Unverpackt-Stationen und viele weitere Dinge, aber das sind alles noch einzelne Mosaik-Bausteine. Da gibt es immer noch Dinge, die man verbessern kann, wir sind noch lange nicht am Ende, wenn man unser Sortiment betrachtet. Und da gibt es noch so viele weitere Aspekte, auf die man schauen kann, beispielsweise der Transport oder das Futter der Tiere. Ist das Fleisch regional, weil es von einem regionalen Metzger gemacht worden ist oder ist nur die Rezeptur regional und das Fleisch kommt von irgendwoher, was ja häufig der Fall ist. Vielleicht ist das Fleisch regional, aber das im Futter enthaltene Soja kommt aus Brasilien. Man muss die Kette also Stück für Stück zurückverfolgen und da sind wir bei tegut schon relativ weit. Aus meiner Sicht haben wir da aber noch viel zu tun.

 

Gibt es denn im Moment spezielle Projekte, an denen sie arbeiten?

Ja, beispielsweise haben wir Projekte, in denen wir versuchen, Wiesenflächen besser zu nutzen oder regionale Eiweißquellen zu sichern, und auch im Biobereich haben wir Projekte, in denen die Verpackungsreduktion im Vordergrund steht. Wir haben zurzeit bestimmt 100 kleinere und größere Projekte, an denen Kollegen und Kolleginnen im Unternehmen arbeiten. Das geht bis zu der Überlegung, wie man den Bau einer Filiale ökologisch gestalten kann. Beispielsweise wie man weniger Platz verbrauchen kann, wie man weniger Grund versiegeln kann und weniger Wasser verwendet, wie man die Baumaterialien nachhaltiger machen kann. Bauen ist ein riesiger Faktor in der CO2-Bilanz. Deshalb findet man immer wieder neue Dinge, an denen man arbeiten kann.

 

Kommen wir nochmal zu dem Verkauf von nachhaltigen Produkten zurück. Woran liegt es, dass nachhaltig verpackte Produkte oft teurer sind als beispielsweise Plastikverpackungen?

Weil die Dinge oft in der Herstellung teurer sind. Irgendjemand hat die Produkte einmal in günstige Plastikverpackungen gepackt, die sehr schnell von großen Maschinen hergestellt werden können, weil das der günstigste Weg des Verkaufens war. Wenn ich da jetzt neue Wege finde, habe ich teurere Verpackungen und einen höheren Aufwand, beispielsweise die andauernde Reinigung einer Unverpacktstation. Dieser Aufwand macht die Produkte dann eben ein kleines bisschen teurer.

 

Insgesamt hat tegut ja den Ruf inne, das die Lebensmittel teurer sind als beispielsweise in anderen Supermarktketten. Woran liegt das und gibt es Pläne, sich preislich an die Konkurrenz anzupassen?

Wir haben eben auch Produkte im Sortiment, die nachhaltiger und zum Teil auch qualitativ besser sind. Die Produkte, die wir verkaufen und die unsere Kolleginnen und Kollegen ebenfalls im Sortiment haben, liegen preislich genau auf demselben Niveau. Diese Produkte kosten bei uns genauso viel wie beispielsweise bei Lidl. Das nimmt man als Konsument natürlich nicht so wahr. Man geht dann in einen tegut-Markt und da liegt ein Produkt, das preislich vergleichbar mit einem Discounterartikel ist und dann sieht man eben auch die Unverpacktstation und fragt sich, warum die Pops jetzt dort das Doppelte kosten wie in anderen Supermärkten. Oder ein Freiland-Biohähnchen, das viermal so viel kostet, wie ein Discount-Hähnchen. Dadurch besteht eben die Gefahr, dass man preislich als etwas höher wahrgenommen wird. Aber diese Preise brauchen wir, um auch unsere Lieferanten zu bezahlen. Ich kann ja nicht von einem Landwirt verlangen, dass er eine bessere Qualität produziert, er Platz für seine Tiere lässt, sie länger leben lässt und ihnen hochwertiges Futter gibt und dann nicht mehr Geld dafür zu bezahlen.

 

In Ihrem Sortiment befindet sich ein Bulgursalat der Marke „Kühlmann“. Dieses Produkt wurde in einer Plastikverpackung verkauft und erschien kurz darauf in einer Verpackung, die größtenteils aus Pappe bestand und recyclebar war. Nach wenigen Monaten wurde diese Erneuerung zurückgenommen und der Bulgursalat wird nun in Ihren Filialen wieder in der Plastikverpackung verkauft. Gibt es dafür Erklärungen?

Ich habe mich dort erkundigt und habe gefragt, warum sie ihre Verpackung wieder geändert haben. Die Antwort war, dass der Absatz nach der Umstellung der Verpackung um 50 Prozent zurückgegangen ist. Die Firma hat also nur noch die Hälfte ihres Artikels verkauft und daraufhin hat Kühlmann beschlossen, dass das nicht in ihrem Interesse ist und haben die alte Verpackung wieder eingeführt. Danach hat sich der Artikel wieder genauso gut verkauft wie vorher. Aus irgendeinem Grund hat der Käufer bei diesem Produkt nicht die Sensibilität gehabt, dass er hier einen Vorteil bekommt, sondern er hat es als Nachteil angesehen.

 

Aber eigentlich müsste man doch denken, dass diese Veränderung ansprechender für die Käufer sein müsste.

Bei vielen anderen Produkten ist das auch so gewesen, aber anscheinend ist der Kunde, der einen solchen Salat in dieser Form kauft, vielleicht nicht so nachhaltigkeits-affin wie Kunden, die einen Sojajoghurt kaufen.

 

Dann bedanke ich mich ganz herzlich für ihre Zeit.

Zurück

DELF DALF eDELEMINTCERTI LINGUA

TOP