| von Corina Müller-Mohr
Carmen -hautnah! Nicht nur dabei, nein, mittendrin im Operngeschehen!
Dass dieser Sonntag irgendwie besonders werden würde, konnte man schon am frühen Morgen beim ersten Blick aus dem Fenster erahnen. Hatte es doch in der Nacht örtlich ca. 12 cm Neuschnee gegeben, was die gesamte Planung kurz ins Wanken brachte…. Von langer Hand geplant war nämlich der Besuch der Oper Carmen von George Bizet im Staatstheater in Kassel. Kurzerhand wurde noch auf den Bus mit Winterreifen umgeswitcht, denn die Kasseler Berge haben es ja bekanntlich in sich. Leider konnten einige Schülerinnen und Schüler der Klassen 10a und b (die Klassen 10c und d hatten das Vergnügen bereits im November 2023) wegen umgestürzter Bäume und Straßensperrungen den Weg zur Steinschule gar nicht erst antreten, weshalb wir dann gegen 11Uhr mit einer deutlich kleineren Gruppe als geplant ins Opernabenteuer starteten.
Am Staatstheater angekommen (in Kassel war kaum eine Flocke gefallen), ging es auch schon bald los. Nach einer gemeinsamen Begrüßung durch die Theaterpädagogin im Foyer und allgemeinen Infos zu Kassel und der Geschichte des Opernhauses, konnten wir schon eine Blick ins Innere, ins Parkett und auf die Bühne werfen, wo die Vorbereitungen zur Nachmittagsvorstellung mit Licht- und Tonproben bereits in vollem Gange waren. Aufgeteilt in drei Gruppen konnten wir dann echte Theaterluft schnuppern. Der Geruch von Kostümlager, Maskenbildnerei, Schneiderei, Schusterwerkstatt und Schuhlager, dem frischen Holzgeruch der Bühnenrequisiten bleibt vielen bestimmt noch lange im Gedächtnis.
Ein wenig geschafft vom vielen Treppensteigen blieb dann gar nicht mehr viel Zeit zum Umziehen und Essen. Und nun begann das Abenteuer erst richtig…die Kasseler Inszenierung hielt so manche Überraschung bereit, wurde doch ein Teil des Publikums mit ins Stück einbezogen. Nicht nur die Sitzplatzanordnung innerhalb der Raumbühne ANTIPOLIS kann als außergewöhnlich bezeichnet werden. Auch das Konzept, dass die Zuschauer aktiv Teil der Bühnenhandlung wurden, ja auch in Kostüme gesteckt wurden und per Handy, quasi als Geheimagenten, Handlungsanweisungen erhielten, überraschte und begeisterte. Da die Handlung der Oper, in Sevilla um 1820, den Schülerinnen und Schülern bereits bekannt war, konnte diese auch aus unterschiedlichsten Blickwinkeln auf das Operngeschehen und das Orchester gut nachvollzogen werden.
Besonders beeindruckt zeigten sich das junge Publikum von der Qualität und Ausdrucksstärke des Orchesters, das auf der Bühne platziert und nicht wie sonst üblich im Orchestergraben versteckt war, und den stimmlich wie schauspielerisch überzeugenden Solisten.
Zurück in der Schule ….es war doch etwas später geworden am Sonntagabend, so dass bei dem ein oder anderen durchaus der Wunsch nach einem verlängerten Wochenende aufkeimte….diesem konnte aber natürlich nicht entsprochen werden, gab es doch in den folgenden Unterrichtsstunden reichlich Stoff zum Gesprächsbedarf.
Lebhaft wurde über das Konzept der ANTIPOLIS diskutiert. Die zahlreichen Videoeinspielungen über noch zahlreichere Monitore warfen doch auch Fragen und Kritik auf. Fragen zur politischen Aussage und zur Kompatibilität mit dem Stück selbst in seiner Grundaussage. Wieso ist Escamillo, der Torero, hier ein Fußballstar, weshalb wird Carmen als Revolutionärin dargestellt und Micaela, die sinnbildliche Unschuld vom Lande, als Polizistin in der Uniform des Don José? Läuft Don José wirklich aus Liebe zu Carmen zu der Schmugglerbande über?
Trotz mancher Kritik waren sich (fast) alle einig…diese Aufführung war einfach ein Erlebnis! Und bestimmt für viele nicht der letzte Opernbesuch!