| von Victoria Nophut (Jahrgangsstufe 13)
Die Zukunft Europas: Warum jetzt gehandelt werden muss!
Am 27. Oktober 2025 war der Journalist, Autor, langjährige USA-Korrespondent und Experte für transatlantische Beziehungen Christoph von Marschall zu Gast an unserer Schule. Im Rahmen einer Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und auf Einladung von Herrn Pauthner hielt er vor allen PoWi-Kursen der Jahrgangsstufe 13 einen Vortrag mit dem Titel „Der schwarze Dienstag. Warum 2028 ein Krieg mit Russland droht und wie die Bundesregierung ihn verhindern kann?“ und griff damit ein Thema auf, welches kaum aktueller sein könnte: die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik.
Warum 2028?
Der Titel seines Vortrags bezieht sich auf den ersten Dienstag im November 2028, den Tag der nächsten US-Präsidentschaftswahl. Für von Marshall steht dieses Datum symbolisch für eine mögliche Zuspitzung der globalen Sicherheitslage, den Zeitpunkt, an welchem Russland - nach einem scheinbaren Einfrieren des Ukrainekriegs - erneut militärisch angreifen könnte. Von Marshall beschreibt einen hypothetischen Angriff auf Litauen, der die Nato auf die Probe stellen und Europa in eine Krise stürzen würde.
Woher wir kommen
Zu Beginn seines Vortrags spannte von Marschall einen historischen Bogen. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe sich in Europa eine Phase der Stabilität, des Wachstums und der Integration entwickelt. Die deutsche Wiedervereinigung, der Binnenmarkt, die Einführung des Euro und die Erweiterung der Europäischen Union schufen jahrzehntelang Frieden und Wohlstand. Doch dieses Erfolgsmodell sei heute bedroht. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe die europäische Friedensordnung zerstört und Europa müsse lernen, seine Sicherheit wieder selbst zu garantieren.
In einem zweiten Schritt sprach von Marschall von zwei großen „Zeitenwenden“, die unsere Gegenwart prägen würden. Im Osten habe sich Russland nach dem Ende des Kommunismus zwar wirtschaftlich, nie aber wirklich politisch gewandelt, denn unter Putin sei das Land zu einem aggressiven, imperialistischen Kurs zurückgekehrt. Im Westen hingegen habe die EU nach den Erfolgsjahren an Handlungsfähigkeit verloren. Nationale Egoismen und institutionelle Trägheit bremsten notwendige Reformen, sodass einstige Erfolge zunehmend von Krisen überlagert wurden.
Wo wir heute stehen
Europa, so von Marshall, sei eine ökonomische, aber keine militärische oder politische Weltmacht. Innerhalb der EU verhinderten nationale Interessen oft gemeinsame Entscheidungen. Zudem habe sich Deutschland zu lange auf billige Energien aus Russland, offenen Handel aus China und die militärische Rückendeckung und transatlantische Sicherheitsgarantie der USA verlassen. Diese Kombination habe zwar Wohlstand gesichert, zugleich aber zu einer gefährlichen Vulnerabilität geführt. Neben den imperialistischen Zielen Russlands stufte er die veränderte Rolle der USA unter „Trump 2“ als verschärfte Neuauflage als besonders problematisch ein.
Heute stünden die EU-Staaten also vor einer doppelten Herausforderung: wirtschaftliche Krisen zu bewältigen und zugleich ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken, während Frankreich in einer schweren Schuldenkrise stecke, Deutschland mit bürokratischen Blockaden ringe und Europa von anderen Großmächten zunehmend nicht mehr ernst genommen werde.
„Wir dürfen die Welt nicht länger sehen, wie wir sie uns wünschen, sondern wie sie ist“, fordert Marshall auf. Nur wer Realitäten anerkenne, könne sie verändern.
Was zu tun bleibt
Um Europas Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, forderte von Marschall ein Umdenken und fokussierte sich auf drei zentrale Prioritäten für die neue Bundesregierung: Deutschland müsse seine militärische Verteidigungsfähigkeit stärken, wirtschaftliche Abhängigkeiten von autoritären Staaten verringern und durch eine Antwort auf die Migrationskrise die innere Stabilität seiner Demokratien festigen. Sicherheit, Wohlstand und Freiheit seien keine Selbstverständlichkeiten, sondern Ergebnisse politischer Verantwortung: „Ohne Sicherheit ist alles nichts.“ Frieden, Demokratie und Wohlstand müssten immer wieder neu erarbeitet und verteidigt werden.
„Deutschland kann Krise“
Trotz aller Warnungen endete er den Vortrag mit einer positiven Botschaft. Von Marshall zeigte sich überzeugt, dass Deutschland und Europa fähig seien, den Herausforderungen der kommenden Jahre mit Entschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein zu begegnen. Was fehle sei keine Fähigkeit, sondern ein Bewusstsein: „Wir brauchen eine mentale Zeitenwende, die Bereitschaft, die Welt zu sehen, wie sie ist und trotzdem zu handeln.“
Im Anschluss an den Vortrag hatten wir die Möglichkeit, Fragen zu stellen. So wollten wir etwa wissen, warum Russland in von Marschalls Szenario erst 2028 angreifen sollte, obwohl Europa zu diesem Zeitpunkt vermutlich verteidigungsfähiger sei, und wie er den Fortbestand der amerikanischen Demokratie einschätze. Von Marschall ging auf beide Fragen ausführlich ein und machte deutlich, wie komplex geopolitische Entwicklungen zu bewerten sind.
Der Vortrag hinterließ insgesamt einen nachhaltigen Eindruck. Besonders beeindruckte uns, mit welcher Klarheit und Eindringlichkeit von Marschall globale Zusammenhänge erklärte. Dabei wurde spürbar, dass Frieden, Sicherheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind. Unsere Generation steht nun vor der Aufgabe, Verantwortung für die Bewahrung europäischer Werte und eine Politik, die auch in Zukunft Stabilität und Freiheit sichert, zu nehmen.



