Programm:
Begrüßung
Helmut Sämann, Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums bis Januar 2016
Gedichtvortag
Jeder Mensch hat einen Namen von Zelda Schneersohn Mishkovsky (1914-1984)
Grußworte
Dr. Heiko Wingenfeld, Oberbürgermeister der Stadt Fulda
Daniel Neumann, Geschäftsführender Direktor des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen
Dr. Michael Imhof, Zukunft Bildung Region Fulda e.V.
Die jüdischen Schüler der Oberrealschule und ihr Schicksal in der Zeit des Nationalsozialismus
Szenische Lesung der Leistungskurse Geschichte - Kraemer/ Röll
Enthüllung der Erinnerungs- und Mahntafel „ermordete jüdische Schüler der Oberrealschule Fulda“
Musikalische Gestaltung unter der Leitung von Reinhold Feldmann
Die Einladung als gut lesbares Dokument im pdf-Format erhalten Sie hier.
Am Ende standen die Vernichtungslager:
700 jüdische Schüler besuchten die Oberrealschule Fulda
104 von ihnen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet
Die heutige Freiherr-vom-Stein-Schule, 1838 als Real- und spätere Oberrealschule Fulda gegründet, wurde bis 1936 von etwa 700 jüdischen Schülern besucht. Die Anzahl der jüdischen Schüler stieg von vier unter den 22 Schulanfängern im ersten Schuljahr kontinuierlich an. Am Ende des 19. Jahrhunderts betrug ihr Anteil 30 – 40 Prozent und war damit in etwa gleich dem Anteil der katholischen und protestantischen Schüler. Der jüdische Bevölkerungsanteil in Fulda lag allerdings nur bei 4, der der Katholiken allerdings bei 80 und der der Protestanten bei 12 Prozent.
In der neuen Realschule sahen die jüdischen Eltern für ihre Kinder offensichtlich eine Schule, die ihren Bildungsvorstellungen entgegen kam. Ein Stundenplan, in dem Fächer wie Deutsch, Fremdsprache, Mathematik, Physik, Biologie oder Erdkunde unterrichtet wurden, schien für die sich entwickelnde moderne Gesellschaft und deren beruflichen Anforderungen an Wissen und Kompetenzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders geeignet. Eine große Zahl der jüdischen Schüler waren Auswärtige. Sie kamen aus den jüdischen Gemeinden in Wüstensachsen, Gersfeld und Tann oder Schmalnau, aus Heubach, Schlüchtern, Sterbfritz, auch aus dem Rhein-Main Gebiet und wohnten bei jüdischen Familien oder in einem jüdisch geführten Gasthof zur Pension.
Erwähnenswert ist das hohe Leistungsniveau der jüdischen Schüler: Von den 25 Abiturienten zwischen 1903 und 1914 wurde neun Schülern die mündliche Prüfung aufgrund ihrer sonstigen guten Leistungen erlassen. Sie schauten einer beruflich herausgehobenen und sozial etablierten Zukunft entgegen. Die Jahrhunderte der Unterdrückung schienen vorbei, die gesellschaftliche Gleichstellung und Anerkennung in greifbarer Nähe. Ihre Berufswünsche waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich akademische Berufe. Sie wollten Medizin, Mathematik und Jura studieren. Ihre Lebensentwürfe waren nicht auf Absonderung, sondern auf Assimilation und Eingliederung ausgerichtet.
1914 ließen auch sie sich von dem Kriegrausch begeistern und mitreißen. Der gesamte Abiturjahrgang von 1914 meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. 440 Soldaten aus der Region Fulda fielen im Ersten Weltkrieg, 44 davon, also 10 %, waren jüdisch, darunter neun Schüler unter 20 Jahren. Die Gedenktafel auf dem Gelände der Freiherr-vom-Stein-Schule trägt ihre Namen.
Der Patriotismus der deutschen Juden gegenüber Kaiser und Vaterland sollte sich nicht auszahlen. Er konnte nicht verhindern, dass sich der antisemitische Bodensatz, ausgehend von traditionell antijüdischen rechtskonservativen Kreisen und deren Medien, in der Bevölkerung weiter verbreiterte. Wirtschaftliche Krisensituationen und Phasen politischer Instabilität fachten die zahllosen Verdächtigungen und Vorbehalte gegenüber den jüdischen Bevölkerungskreisen weiter an und machten sie zur Zielscheibe aggressiver nationalsozialistischer Hetzkampagnen.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden Antisemitismus und Judenverfolgung Staatsdoktrin. Die jüdischen Schüler wurden diskriminiert und gezwungen, die Schule zu verlassen. 1936 gab es keine jüdischen Schüler mehr auf der Oberrealschule Fulda. In der Jubiläums-Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Schule 1938 waren ihre Namen aus den Schülerlisten getilgt. Von den ehemaligen jüdischen Mitschülern wurden 104 in den Vernichtungslagern und durch den Terror ermordet. Am Ende stehen die Todesorte Auschwitz, Sobibor, Maidanek, Treblinka, Theresienstadt, Bergen-Belsen. Weitere 240 konnten sich nur durch Flucht ins Ausland retten.
Die Freiherr-vom-Stein-Schule gedenkt ihrer in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten ehemaligen jüdischen Schüler in einem Mahnmal mit den Namen der Ermordeten. Die beiden Regionalforscher Dr. Michael Imhof, selbst ehemals Schüler der Stein-Schule, und Gabriel Möller aus Fulda haben aus den Schulakten die Namen der jüdischen Schüler recherchiert und deren Schicksale ermittelt. In der Woche der Brüderlichkeit wird die Gedenktafel kommenden Dienstag in Anwesenheit von Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld und Daniel Neumann, Direktor des Gesamtverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen, enthüllt.
Dr. Michael Imhof