Odyssee eines Mauerblümchens
FULDA Das Buch erschien rechtzeitig zum zwanzigsten Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und bringt verpackt in eine bittersüße Liebesgeschichte und auf unverwechselbare Weise deutsch-deutsche Zeitgeschichte so zur Sprache, wie Fernsehdokumentationen, Geschichtsbücher und papierraschelnde Referate es nicht vermögen.

Das zeigte sich in der Manenschule und der Freiherr-vom-Stein-Schule, wo die 2003 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete, in Berlin lebende Amerikanerin Holly-Jane Rahlens ihr Jugendbuch "Mauerblümchen" den Schülern präsentierte. Die Veranstaltungsreihe "Leseland Hessen" machte die Begegnung mit dem Werk zur besten Unterrichtszeit möglich, und Rahlens löste ein, was der Lehrer Steffen Flicker in seiner Begrüßung versprochen hatte: "Literatur öffnet Fenster in neue Welten."
Die gut aufgelegte Autorin, die perfekt deutsch spricht, verstärkte es noch einmal: "Wir tauchen jetzt ein in eine andere Welt." Das hieß, sich dorthin zu begeben, was von Rahlens so beschrieben wird: "Berlin war zwei Städte für sich", worauf sie die das Buch eröffnenden Sätze las: "Die Mauer ist offen. Und ich bin zu." Das sitzt! Einfach gekonnt. Gekonnt ist aber auch, wie die ungemein lockere, sympathische Schriftstellerin (mit ausgeprägten schauspielerischen Qualitäten) die Protagonistin Molly, eine sich in Berlin-West aufhaltende Deutschamerikanerin, durch das ehemals geteilte Berlin per S- und U-Bahn fahren lässt, wobei die kurz vor der Rückkehr in die USA befindliche Gast-Schülerin von der Liebe heimgesucht wird.
Er heißt Mick, ist wohnhaft im Osten. Der Countdown läuft, denn gerade einmal vier Stunden hat die Autorin vorgesehen für diese ungewöhnliche Liebesgeschichte. Die Schriftstellerin weiß, wie man es machen muss, dass die jungen Leute mitfiebern können bei Mollys Odyssee 14 Tage nach dem Fall der Mauer. Wie beiläufig eingestreut sind die Informationen über das andere Leben in diesem so anderen Deutschland. Das ist alles sehr gut recherchiert und anschaulich gemacht. Und nicht zuletzt fehlen gänzlich der pädagogische Zeigefinger und der Wille zur Belehrung. Auch die Innenwelt junger Mädchen kommt nicht zu kurz, etwa wenn Molly sich fragt: "Weiß er, dass ich ein Mauerblümchen bin, das Mädchen, das niemand zum Tanzen auffordert?
Nach einer Stunde Text und Talk gab es die Möglichkeit für einige "little questions" auf Englisch an die Autorin, die sich bei den "great listeners" herzlich bedankte. Eine perfekte Performance!
(FZ) von Wolfgang Hohmann; Foto: Sabine Abel