Woche der Brüderlichkeit
Mit einer christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier und einem Vortrag ist die diesjährige bundesweite Woche der Brüderlichkeit auch in der Region eröffnet worden.
„Sachor (Gedenke): Der Zukunft ein Gedächtnis“ heißt das Motto, das Schulleiter Helmut Sämann bei der BEgrüßung der vielen erschienenen Zuhörer aufgriff, als er die zunehmenden Gewalttätigkeiten gegen Menschen jüdischen Glaubens anprangerte. Nicht nur für die anwesenden Schüler formulierte Sämann die Aufgabe des Geschichtsunterrichts: Sorge dafür tragen, dass die Jugend auch an dunkle Zeiten erinnert wird, und das nicht nur in Deutschland.
Die anschließende christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier dokumentierte die Nähe der beiden monotheistischen Religionen zueinander, beim
Gebet ebenso wie beim Gesang. Vertreter der beiden christlichen Kirchen teilten sich die Liturgie mit dem Rabbiner. So sprach der katholische Pfarrer Michael Oswald einen Psalm, während sein evangelischer Kollege Dr. Karl-Heinz Ostmeyer aus der Thora las und Rabbiner Shaul Friberg (Heidelberg) den Segen in hebräischer Sprache erteilte. Schüler und Lehrkräfte aus dem Ökumenischen Schülerbibelkreis sorgten für die musikalische Ausgestaltung der Gemeinschaftsfeier mit mehreren Gesangsbeiträgen plus instrumentaler Begleitung durch Gitarre, Trommel und Klavier. Musiklehrer Salomon Ebert hatte auf dem Klavier musikalisch eingestimmt, um später die Gemeinde anzuleiten, im Kanon das Gotteslob anzustimmen: „Lobet und preiset ihr Völker den Herrn.“ Aber nicht nur zum Singen waren die Anwesenden eingeladen, sondern auch zum gemeinsamen Beten von Teilen des jüdischen Achtzehnbittengebets und dem jüdischen Abendgebet; beide Male im Wechsel mit dem Schüler Lennart Hartmann als Vorbeter. Hatte der Rabbiner am Ende seiner Ansprache gefordert, dass mehr Menschen gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus auftreten sollten, so referierte er in seinem Vortrag zum Thema „Frauen, Synagoge und Gebet“, nachdem er zuvor seinen Platz im Spektrum der Richtungen mit modern-orthodox bestimmt hatte: „Ich will nicht in einem sozialen Ghetto leben, sondern individueller Bestandteil der deutschen Gesellschaft sein.“ Mit einem provokanten Segensspruch, in dem Männer Gott dafür danken, „dass ich nicht eine Frau bin“, eröffnete der Rabbiner seinen frei formulierten Vortrag,
um dann zu begründen, warum man diese Haltung von Männern auch positiv sehen könne. Es sei nämlich die größte Freude für Juden, Gottes Willen zu erfüllen, wofür es bei mindestens 613 Geboten viele Gelegenheiten gebe. Große Zustimmung fand der Rabbiner, als er sagte: „Frauen sind stärker als Männer, die von Gott mehr kontrolliert werden müssen.“
Bei vielen Fragen aus der Zuhörerschaft ging es um die aktuelle Rolle der Frauen in den Synagogen und deren Zugang zum Rabbineramt. Nachdem Friberg alle Facetten dieser Thematik beleuchtet hatte, überraschte er mit der Feststellung, dass es in baldiger Zukunft Rabbinerinnen auch im orthodoxen Judentum geben könnte.